„Ich habe die Sehnsucht nach einer anderen Filmkritik. Diese Sehnsucht wird nicht erfüllt. Ich sehe drei große Defizite der deutschen Filmkritik. 99 Prozent besteht aus Service, aus falscher Gnade und aus Impressionismus. Was meine ich mit Service? Zwei Daumen hoch, Sternchen, im weitesten Sinne jede Art von Eventberichterstattung und Infohäppchen, die sich auf die Frage zuspitzen: Soll ich in den Film gehen oder nicht? Diese Art von Service verachte ich. Sie hat nichts mit Kino und Filmkritik zu tun.
Was die falsche Gnade angeht: Ich habe mich vor einiger Zeit mit dem Filmkritiker Tobias Kniebe unterhalten. Der meinte: „Wir dürfen alle nicht schreiben, was wir denken, sonst gäbe es den deutschen Film nicht mehr“. Diese falsche Gnade haben wir Filmemacher nicht verdient. Wenn wir uninteressante Filme machen, dann schreibt nicht darüber. Ich finde ganz wichtig, dass Kritiker aus Passion schreiben. Die kann im Verriss wie im Lob stecken. Und dann muss man sich eben auch freikämpfen in diesem Medienzusammenhang und sagen: „Über den Film kann ich nicht schreiben“ oder: „Ich muss einen Verriss schreiben“. Diese falsche Gnade hat auch deshalb keiner verdient, weil das Filmemachen zu anstrengend st, um dann gesagt zu bekommen: „Ja, für `nen deutschen Film ganz gut – und dafür, dass er billig war“.
[…] Meine Idee von Filmkritik wäre aber Herausforderung. Herausforderung in allen Richtungen: An den Leser, an den Filmemacher, aber eben auch an andere Kritiker. Es müsste darum gehen, zu versuchen, größere Perspektiven herzustellen, die dann auch ins Gesellschaftliche gehen. […]
Das sind alles Dinge, die ich vermisse. Woran das liegt, kann ich nicht genau beurteilen. […] Aber klar ist auch, dass die Kritiker das längerfristig auch selbst ändern könnten.“
Christoph Hochhäusler (Regisseur und Autor) in der Diskussion „Perspektive Filmkritik“, Revolver Live! vom 17. Juni 2005 im Prater der Volksbühne, publiziert in: Revolver Heft14, Juni 2006, Verlag der Autoren.
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