Komm Näher I Vanessa Jopp, D 2005
Im urbanen Zusammenhang ohne Verbindung rennt Mathilda durch die eiskalte Nacht Berlins, um im Neonlicht der Stadt aufzubrechen. Die Kamera lässt sie nicht los, als sie das Nahe der Nähe nicht mehr ertragen kann. Doch wir beißen uns fest, müssen ausharren was sie aushält. Bleiben. Und berühren sie dabei viel näher als sie es wohl aushalten könnte.
Im Begegnungskreis Berlins ist Mathilda schon längst eine der verlorenen Seelen, wie wir sie im Kino und dieser Stadt erwartet haben. In einer Currywurstbude arbeitend, nachdem sie zig Jobs geschmissen und jede Menge Männer verloren hat, lernt sie des Nachts den Polizisten Bronski kennen, der ihr scheinbar drogengesättigt in die Arme fällt. Doch diese Nähe lässt sie aus den Bahnen werfen. Eine Angrenzung ohne Berührung. Weil schon Berührungen wohl schon einmal angegrenzt sind. Von Menschen „die schon gar nicht mehr wissen, was Liebe ist“ und dabei noch nicht einmal sich selbst aushalten können. Von David, den liebenden Vater, der seinem Sohn Dickmanns auf die Nase setzt und bekifft im Maskenkostüm um Liebe bittet, bis hin zum Taxi fahrenden Andy der raumübergreifend mit Mutter und Tochter telefoniert und in dieser Ferne eine Nähe findet, die er schon seit Jahren nicht mehr gespürt hat. Doch in diesem urbanen Miteinander, was schon keine Luft mehr für ein Füreinander lassen kann, bleibt dennoch eine Bewegung, die unmittelbar auf einander führt. Begegnungen ersehnter Hoffnungen. Und dabei geht Vanessa Jopp in ihrem Reichtum an Einfachheit weiter als so manches Soziallhilfeempfängerdrama um kollidierende Einsamkeiten. Jopp beschreitet eine Nähe, die die Figuren in sich tragen. Sie erreichen sie knapp, um sie alsbald wieder zu verlieren. Unbequem selbstverschuldet und dennoch hoffnungslos zuversichtlich treiben sie so aufeinander zu.
Heroisch und in kindlicher Romantik stürzen sich Johanna und der taxifahrende Andy auf die Straßen der Großstadt um sich leidenschaftlich zu küssen. Ali gesteht, dass sie keine Liebe mehr empfindet. Und Mathilda rennt am nächsten Morgen wieder zur Polizeiwache um alles zurück zu drehen. Und so kollidieren sie scheinbar doch. Unsere nahen Hoffnungen. Und kommen immer näher. Doch plötzlich bleibt das Bild im Stand. Wir bleiben stehen und werden alleingelassen. Bleiben. Mit Mathilda. Und sehen, was sie fühlt. Und wissen, dass sie es nicht kann. Und das wir dabei sein müssen. Und dass wir ihr dabei einfach so nah sind, dass wir ahnen müssen was passiert. Und dass wir es nicht aushalten wollen. Doch bleiben müssen. Auch wenn sich nichts mehr bewegt. In einer Nähe, die so unerträglich menschlich ist, dass wir nicht anders können, als die Unerträglichkeit zuzulassen.
No comments:
Post a Comment