Thursday, June 29, 2006

Wenn Bilder verkriselt über die Leinwand wischen
















Reconstruction I Christoffer Boe, DEN 2003

„Beginnen wir damit: Es ist nicht der Anfang, Sehen Sie darüber hinweg“. Alles ist hier verkehrt. Andersherum. Dekonstruierte Rekonstruktion.

Verschwommene Bilder wischen verkriselt über die Leinwand, Lichter leuchten arhythmisch zu den Modulationen von Fred Astaire auf, eingehüllt im Zigarettenrauch verschwinden sie wieder, um den neuen Rekonstruktionen Platz zu geben. „Ein wenig Magie. Ein wenig Rauch. Etwas liegt in der Luft.“ Eine Handlung beginnt. Ein Fotograf und eine Frau verlieben sich und verlassen beide ihre Partner, um sich dann selbst wieder zu verlassen. Doch was war und was wird noch sein? Immer wieder fügen sich Imaginationen in die aufgebrochene Narration. Aus Bildern und Klängen entstehen Gedanken, die sich umgekehrt entwurzelt aus der Visualität in eine virtuelle Realität einschreiben. Ich folge der Aufforderung der Erzählstimme und beobachte die Figuren. Ich sehe dem Fotografen zu, wie er sich verloren im verschwimmenden Puzzle zurechtfinden muss, wie ich nach Mauern und Stützen für mein Denken suche.

Doch alles ist offen. Oder wieder umgekehrt: alles bleibt offensichtlich verschlossen. Verlorene Bedeutungen, Rückschlüsse, Verbindungen knüpfen sich, um sich alsbald wieder zu lösen und mich in neuen Symbiosen als Rauschwade einzuhüllen, ohne dass ich überhaupt registriere, dass ich noch immer rekonstruiere. Die Rekonstruktion des großaufgenommenen Liebeskitschs erweist sich dabei sehr schnell als furchtbar roh. Die kalten Nächte Dänemarks wehen uns durch die Kinosessel, ich blicke aber weiter auf die aufgesprungenen Lippen Aimees und hoffe, dass die Unmöglichkeit des Films nie eine Möglichkeit der Konstruktion finden wird und ich so uferlos in den Gedankenvariationen mitspielen kann. Tief versunken entstehen dabei Träume und Gedanken in der Freilegung offener Assoziationsketten, so dass ich mich in Visionen verliere, dabei immer fragend: Habe ich das gerade selbst gesehen oder ist es das Kino im meinem Kopf? Lichtreflektionen wandern wieder über das Bild, Bewegungen werden zerschnitten und Abläufe aufgespalten. Passagen verpassen sich knapp, um dann wieder neu kombiniert aufeinander zu treffen. Rekonstruktion führt zur Destruktion – des Lebens des Fotografen gleichwohl des Films selbst. Die Konsequenz müssen beide tragen.

Und am Ende habe ich fast vergessen, wer uns das alles erzählt – der verlassene Autor. Gequält lässt er auch seine Figuren allein. So ist es mit der Liebe im kalten Dänemark. „Doch denken Sie daran: Alles ist Film. Alles ist konstruiert. Und dennoch tut es weh!“


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